Echo Online, 12/7/14
Behutsamer Dialog mit den Gewölben
Patricia Roth zeigt im Kulturzentrum Kellerberg am Philippshospital Bilder und Installationen
RIEDSTADT. „Anwesend im Abwesenden“ heißt eine Ausstellung der Künstlerin Patricia Roth, die am Donnerstagabend im Kulturzentrum Kellerberg auf dem Gelände von Vitos Riedstadt eröffnet wurde.
"Zart schweben die Federn über dem wuchtigen Block aus dunklen Steinplatten, scheinbar auf dem Weg nach draußen durch den Kamin des ehemaligen Eiskellers im Philippshospital. Die Künstlerin Patricia Roth fasst nicht gern in Worte, wofür sie doch ihre ganz eigenen Ausdrucksmöglichkeiten gefunden hat. „Sonst wäre ich Schriftstellerin geworden“, erklärt sie am Donnerstagabend fast entschuldigend den vielen Besuchern ihrer Vernissage. Um dann doch mit der ihr eigenen Begeisterung einige ihrer grundlegenden Gedanken zu formulieren. Die Steinquader stehen für sie für „die Festung Europa“, die Federn für all die Flüchtlinge, die auf dem Weg in diese Festung oder in ihr umgekommen sind. Eine Installation der Trauer, der Ehrerbietung den Toten gegenüber, aber auch der Hoffnung. Denn diese Festung hat auch Spalten zwischen den Steinplatten. Lücken, in denen die Flüchtlinge ihr Schicksal selber in die Hand nehmen.
„Die Anwesenheit von Tod und die Abwesenheit von politischer Verantwortung“, nennt die Künstlerin den Spannungsbogen dieser Installation. „Anwesend im Abwesenden“ heißt denn auch die Ausstellung Roths im Kulturzentrum Kellerberg. Dieses Paradoxon visualisiert sie gern mit dem Bruch von Bewegung, einem Vorwärtskommen, das nicht vorankommt. Luftballons entlang eines schmalen Schachts weisen, leicht im Luftzug nickend, den Weg in Richtung der vergitterten Öffnung, sind aber selber am Boden fixiert. Eine starre Staubwedelparade steht stramm vor Collagen an der Wand, die mit ihren Kreis- und Spiralformen endlose Bewegung simulieren. Mit Metallrand gerahmte Steinplatten suggerieren durch ihre Oberflächenstruktur die eingefrorene Bewegung von Meereswellen. Ein Film, den sie mit ihrem Enkel Finn (acht Jahre) verwirklicht hat, zeigt weißen Blütenschaum in einem Bach, gefangen in einem Strudelkarussell ohne Fortkommen.
In den Neunzigern wiederentdeckt
„Der Kellerberg war früher unser Kühlschrank“, erzählt Hartmut Berger, Ärztlicher Direktor des Vitos Klinikums Riedstadt, in seiner Rede zur Ausstellungseröffnung.600 Quadratmeter, auf denen die Vorräte und Bierfässer des Spitals gelagert wurden. Lange habe der Kellerberg im Dornröschenschlaf gelegen, bis er Anfang der neunziger Jahre wiederentdeckt wurde.
"Diese Ausstellung ist jenen Menschen gewindmet, die im Dritten Reich von hier nach Hadamar ausgeliefert und getötet wurden - und auch
jenen, die noch in der heutigen Zeit von Rassisten umgebracht werden", erläuterte Patricia Roth. Es ist eine Ausstellung wider das Vergessen der Greuelaten und der Opfer rechtsextremer Gewalt und den Hass - und ein Plädoyer für den Genuss, die Liebe und das bewusste Erleben der Höhen und Tiefen, die einem in der Zeit zwischen Geburt und Tod beschert sind.
„Ich bin Patricia Roth außerordentlich dankbar, dass sie noch einmal den Kampf mit dem Objekt aufgenommen hat“, sagt der Professor. Denn es ist bereits die dritte Ausstellung der Künstlerin an dem Ort, der mit seiner ungewöhnlichen Architektur zwar sehr reizvoll ist, aber auch seine Tücken hat. „Es war pitschnass“, erinnert sich Roth lakonisch – nur durch Luftentfeuchter konnte das Problem halbwegs gelöst werden. Alle ausgestellten Werke entstanden speziell für den Felsenkeller. Zehn bis 15 Mal sei sie dort für mindestens drei Stunden gewesen, schätzt Roth.
Gehauchte Akzente, kraftvolle Kontrapunkte
„Ein behutsamer Dialog mit den Gewölben des Kellerbergs“ sei so entstanden, erklärt Berger. Roth unterstreiche mit hingehauchten Akzenten, um dann wieder Kontrapunkte durch kraftvolle Plastiken zu setzen. Das hauptsächlich verwendete Material Stein und Stahl nehme die Formensprache des Mauerwerks auf und setze ihm zugleich eine eigene Sprache entgegen.
Der zentrale Raum der Gewölbekeller ist die Rotunde mit dem Kamin, der früher der Luftzu- und -abfuhr diente und in dem jetzt die Federn über Steinquadern schweben. An den weißen Wänden fand die Künstlerin noch die Namen, die sie bei ihrer jüngsten Ausstellung 2008 rundum auf die gekalkten Steine geschrieben hatte. Es sind die Namen der Opfer rassistischer Gewalt seit 1990. „136 waren es damals“, ist sie betroffen. „Jetzt musste ich noch über 30 Namen dazu schreiben.“ Hinzu gekommen sind für die jetzige Ausstellung die zarten Federn. „Ich wollte achtungsvoll zu den Toten sein, das war mir wichtig. Die Rotunde ist ein geschützter Raum, fast wie ein weltliches Kapellchen“, sagt sie und schaut sinnend auf das federleichte Gebilde.
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